Zeit und Umweltschutz
Die Vorweihnachtszeit.
Zeit der Überforderung. Druck. Hetzerei.
Die Schaufenster sind weihnachtlich dekoriert.
Die Werbung verkauft uns diese Zeit in romantischer Hülle, doch im Alltag ist sie alles andere als lustig.
So viele zusätzliche Aufgaben fallen an:
Feier organisieren, Geschenke kaufen, Menu planen…
So Vieles will noch vor Ende Jahr erledigt sein.
Wer sich von der Tradition der Weihnachtsgeschenke noch nicht verabschiedet hat, steht wieder einmal vor der Entscheidung für wen welches Geschenk genau das Richtige ist.
Für diese Frage könnte man tagelang überlegen.
Aber Zeit haben wir oft nicht.
Das ist für die Umwelt fatal.
Zeit, Lebensqualität und Umweltschutz – überraschende Zusammenhänge
Achte mal darauf: wann sammeln sich besonders rasch Plastik, Überflüssiges, Giftiges und Ressourcenfresser in Deinem Leben an?
Dann, wenn Du in Eile bist:
- Wenn wir sehr schnell von A nach B kommen müssen, fliegen wir oder fahren Auto. Hätten wir Zeit würden wir Zug oder Velo fahren oder gar laufen.
- Wenn Du für einen Einkauf „schnell“ eine Tasche brauchst, kommst Du mit einem Einwegplastiktüte oder einer Papiertüte nach Hause.
- Wenn Du „schnell“ etwas zu Mittagessen oder einen Kaffee trinken willst, sind Kaffeebecher, Salat, Pizza und anderes aus dem Take away hilfreich.
- Hast Du zu wenig Zeit für jemanden ein Geschenk zu finden, das für ihn wirklich nützlich ist, häufen sich die Staubfänger in seinem Leben und Du förderst die Müllberge.
- Wenn Du eine Stunde vor Beginn der Weihnachtsfeier etwas organisieren musst, kommst Du mit einer Schachtel Pralinen, Kosmetik oder irgendwelchem Schnickschnack aus dem Geschäft. Dank Verpackung und Dekomaterial wirkt das Geschenk trotzdem gut.
Nehmen wir uns hingegen Zeit
- können wir den Kaffee im Restaurant aus einer Tasse zu trinken, gehen im Restaurant essen oder bringen das Essen von zu Hause mit
- finden wir ein Geschenk, das dem/der Beschenkten lange dient. Vielleicht fällt uns sogar ein nicht-materielles Geschenk ein.
Je schneller, um so schädlicher
Meine Beobachtung ist:
Je schneller etwas gehen muss, je gehetzter wir sind und je weniger Zeit wir in etwas investieren können, um so wahrscheinlicher ist es, dass wir der Umwelt schaden.
Ganz zu schweigen davon, was mit unserer Lebensqualität geschieht.
Denn wenn es schnell gehen muss, greifen wir zu Naheliegenden.
Zu dem was wir mit einem Griff verfügbar haben.
Verfügbar ist, in der Welt wie sie im Moment ist, meist nicht das Umweltschonende.
Im Gegenteil.
Wie Langsamkeit die Hektik kurriert
Gestern habe ich mir Stephan Meurichs Reisebericht „Long trail to Tibet“ angehört.
In Georgien, so erzählte er, stand die Zeit still.
Vor allem in den Dörfern.
In den Städten beeilten sich die Leute und sie waren dauernd mit ihren Handys beschäftigt.
Etwa so wie wir alle.
In den Dörfern war alles langsam.
Es passierte fast nichts.
Wenn viel los war, fuhren drei Autos pro Tag im Dorf vorbei.
Die Autos fuhren langsam, weil die Strassen so schlecht sind.
Auch die Leute gingen langsam.
Das Leben passiert in Zeitlupe.
Schon beim Stephans Erzählung spürte ich: diese Tage in Georgien waren lang.
Entdecke den Zeitverzögerungs-Effekt
Mit dieser Beobachtung sind wir der Lösung ganz nah.
Sie zeigt uns wie wir aus dem viel zu schnell drehenden Karussell, zu dem unser Leben über Weihnachten wird, aussteigen können.
Bei mir hat es allerdings gedauert, bis ich es wirklich verstand und den Dreh fand.
Frage: was ist länger ein Arbeitstag oder ein ruhiger Ferientag zum Abhängen?
Arbeitstage voller Eile sind härter, aber nicht wahr, sie vergehe wie im Flug?
Eben noch war Montag jetzt ist schon Donnerstagabend.
Die Tage sind vorbei bevor Du es recht wahrgenommen hast.
Ein ruhiger Ferientag hingegen, besonders einer voller Langsamkeit, dauert und dauert.
Zweite Frage: Was dauert länger 3 Minuten am Bahnhof auf die Ankunft eines Zuges warten oder in 3 Minuten eine dringende Mail schreiben?
Natürlich dauert beides 3 Minuten.
Aber die Wartezeit am Bahnhof empfindest Du als länger.
Du spürst sie, weil Du sie wahr nimmst.
Ungeduldig zappelst Du (innerlich) herum und stöhnst über die endlosen, leeren Minuten in denen Du nichts tun kannst.
Die Zeit für die dringende Mail hingegen rast. Du bist noch nicht fertig und schon sind die 3 Minuten verflogen
Was lehrt uns das?
Die Zeit rast an uns vorbei, wenn wir uns beeilen.
Die Zeit dehnt sich aus, wenn wir langsam sind und uns Zeit nehmen.
Siehe da, das Leben fühlt sich ganz anders an.
Das Lebens-Karussell flitzt nicht mehr an uns vorbei.
Die paradoxe Lösung
Jahrzehntelang hat man mir (Dir auch?) erzählt, wenn ich schnell mache, sei ich schnell fertig.
Tatsache ist: ich bin nie mit allem fertig und schon gar nicht schnell.
Als ich das endlich begriff, gelang es mir zu Ruhe und zu mehr Zufriedenheit zu kommen.
Ich begann die Langsamkeit zu pflegen, gewöhnte mir zum Beispiel an auf Brücken stehen zu bleiben:
Ich beuge mich über das Geländer um ins Wasser zu sehen, folge mit den Augen dessen Bewegungen,
schaue, wohin es fliesst und schaue zurück woher es kommt.
Ich tue das oft, weil ich spüre, dass es mir gut tut.
Gerade wenn ich gehetzt bin, schaffe ich mir in diesen wenigen Sekunden einen wohltuenden Moment.
In den hektischen Zeiten blieben mir von einem Tag kaum Erinnerungen.
Ich hatte gearbeitet wie verrückt, so schnell es ging. Aber ich konnte mich nur knapp an die Details des Tages erinnern: hatte ich etwas gegessen? Wann hatte ich etwas getrunken? Waren alle meine KollegInnen im Büro?
An das was ich auf der Brücke gesehen hatte hingegen erinnerte ich mich.
Diese Augenblicke konnte ich mitnehmen.
Da war ich da.
Ganz der Aussage entsprechend
„Gelebt hat er nur die Zeit, die er sich genommen hat.“
Zeit-Verlangsam-Übungen
Du denkst, dass Du Ruhe haben wirst, wenn diese Weihnachtszeit mit den verrückten Anforderungen vorbei ist und Du alles, alles erledigt hast?
Vergiss es!
Nimm Dir lieber JETZT die Zeit um ein paar Sekunden (!) einen Gang runter zu schalten.
Kein Handy, kein Telefon, kein gar nichts.
Nur 10 Sekunden. Zweimal am Tag.
- Bleib (zum Beispiel) auf der Brücke stehen.
- Spüre wie Dein Körper sich anfühlt, welche Stimmung Du hast.
- Schaue den Fischen im Aquarium zu oder den Wolken am Himmel.
- Betrachte die Deko im Weihnachtsfenster oder das Flackern der Kerze
Renne für einmal dem Tram nicht hinterher, sondern laufe im normalem Schrittempo und dann: warte auf das nächste Tram und nimm Dir Zeit um die Zeit wahrzunehmen:
-
Schau mal um Dich und auch noch oben. Was siehst Du?
-
Schaue dem Leben zu.
-
Schau Dir die Menschen an, die Dinge
-
Hör Dir die Geräusche und Klänge an
-
Spüre, wie Du im Moment in der Landschaft stehst.
-
Oder kritzle für ein paar Sekunden mit langsamen Bewegungen auf einem Papier herum und spüre die Bewegung.
-
Berühre und spüre die Dinge.
- Lass Gerüche und Düfte auf Dich wirken. Schnuppere zum Beispiel am Tee bevor Du ihn trinkst. Spüre die heisse Tasse in Deinen Händen, sieh dem Teebeutel beim Schwimmen im Teewasser zu.
Diese Augenblicke gehören ganz Dir.
Beschenke Dich in dieser Weihnachtszeit regelmässig damit. So wird aus dem Weihnachtsrausch eine sinnlichere Zeit mit schönen Momenten.
Und wahrscheinlich tust Du damit auch der Umwelt etwas Gutes.
Zum Beispiel weil Du Dir Zeit nimmst für einen wirklich guten Kaffee und den gibt’s nun mal nicht im Pappbecher.